The Early Bird / Der frühe Vogel – C180 Nr. 8 [-> aktuell: Murks, Murks, Murks...]

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    Die Vorgeschichte

    Schon als 16-jähriger interessierte ich mich für „alte Autos“, erkennbar an diversen älteren Oldtimer-zeitschriften von 1985, die noch immer zu Hause rumfliegen. Damals interessierten mich Mercedes Heckflosse, Ford „Badewanne“ und insbesondere der Opel Rekord P1 als Traumwagen, mit dem uns die Oma eines Klassenkameraden immer mal wieder vom städtischen Gymnasium abholte. Der grün-weiße P1 von 1959 wurde dann nicht zuletzt deshalb von Oma W. abgeschafft, weil sich die übrige Elternschaft beschwerte, dass der Opel überhaupt keine Sicherheitsgurte hatte, und auch rostmäßig nicht mehr der allerfrischeste war.


    1986, als ich mit 17 Jahren in den USA meinen Führerschein machte und ein Auto kaufen wollte, sah die Welt natürlich anders aus. Leisten konnte ich mir ein 500-Dollar-Auto, und es wurde ein VW 1600 Variant von 1971 in orange mit luftgekühltem Heckmotor.


    Wieder zurück in Deutschland inserierte ich Ende 1987 (das Internet gab es noch nicht) in der örtlichen Tageszeitung „Suche Opel P1 oder VW 1600“. Es wurde wieder ein VW 1600, ein beiges Stufenheck und 600 DM teuer. Ich blieb also bei VW hängen, und kaufte und verkaufte über die Jahre immer wieder Fahrzeuge dieses Typs.


    2001 machte ich mich selbständig und erkannte, dass die Kundschaft Wert auf ein „standesgemäßes“ Fahrzeug legt (Mercedes, BMW, Audi). Ich entschied mich für eine C-Klasse W202, die mit meiner gewünschten Mindestausstattung (Automatik und Klimaanlage sowie möglichst AHK) mit meinem Limit von 20.000 DM nur spärlich erhältlich war. Ich kaufte von einem Händler in der Eifel einen C180 Elegance von 3/1995 in azuritblaumetallic mit 70.000km, der fortan als Geschäftswagen diente. Da der W202 alle meine Ansprüche an ein modernes Auto erfüllt, ist dieser immer noch im Einsatz.


    Zwischenzeitlich habe ich zwei Kinder, 9 und 10 Jahre alt. Der ältere hat schon vor Jahren geäußert, dass ich „den blauen Mercedes nie verkaufen“ darf – ein gutes Zeichen. Da auch mir die Autos am besten gefallen, die ich in meiner Kindheit auf der Straße sah, beschloss ich, für meine Kinder bereits jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Ende 2012 kaufte ich dann den zweiten W202, einen perlblauen C280 von 1994 mit Klimaautomatik und Schiebedach.


    Mitte 2013 ergab sich dann die Gelegenheit, noch einen W202 zu kaufen. Davon aber im nächsten Beitrag...


    (Fotos zu diesem Beitrag reiche ich nach)

    • Offizieller Beitrag

    In den späten 80ern waren meine alten VW so billig (oder noch etwas billiger) als derzeit die diversen W202. Im Nachhinein machte ich beim VW den Fehler, überwiegend billige, TÜV-fällige Fahrzeuge zu kaufen. So manche Rarität ließ ich stehen, weil sie mir damals zu teuer war oder ich die Seltenheit nicht überblickte. Deshalb gibt es heute das ein oder andere Fahrzeug, dem ich hinterhertrauere…


    Am besten gefallen mir heute die ganz frühen Fahrzeuge einer Modellreihe, sowie Sonderaufbauten und Prototypen. Und so weckte eine Verkaufsanzeige im April 2013 hier im W202-Forum meine besondere Aufmerksamkeit:


    Verkauft wurde der „Winterbenz“ eines Forenmitglieds, ein silberner C180 mit 258.000km in mäßigem und verbastelten Zustand (Klarglasscheinwerfer, etc.) mit eher magerer Ausstattung. Stutzig machte mich die frühe Erstzulassung vom Februar 1993, da der W202 offiziell erst ab Juni 1993 erhältlich war.


    IMG_1165


    Foto aus der Verkaufsanzeige


    Ich fragte nach der Fahrgestellnummer, die mir auch sofort übermittelt wurde: diese endete auf …000174, also dreistellig. Ich hatte es mit einem sehr frühen Fahrzeug zu tun, aber es handelte sich nicht um eine einstellige oder zweistellige Fahrgestellnummer. Dies und die Tatsache des mäßigen, verbastelten Zustands ließen mich etwas zögern.


    Erst ein paar Tage später druckte ich mir die Datenkarte aus und war überrascht: bei den frühen Wagen ist noch die Aufbaunummer erwähnt, und der C180 hatte tatsächlich die Aufbaunummer 8, der das Werk am 19.2.1993 verlassen hatte. Auch die Motornummer lautete 000008. Es handelt sich also tatsächlich um den achten gebauten C180, also praktisch ein Nullserienwagen. Ein weiteres Indiz war der Code 010 Fahrerprobung W50, der in der Datenkarte vermerkt war.


    Ich kontaktierte den Verkäufer, um einen Termin zu vereinbaren. Der war aber seitdem nicht mehr im Forum, und einen Realnamen, eine Mailadresse oder eine Telefonnummer hatte ich nicht. Einige Tage später wurde ich unruhig, und versuchte auf alternativen Wegen, Name und Telefonnummer des Verkäufers zu bekommen.


    Gedankt seien an dieser Stelle Sarah, Heiko, Eugen und Andi, die mir hierbei behilflich waren.


    Endlich im Besitz der richtigen Handynummer teilte mir der Verkäufer mit, dass er den C180 zwischenzeitlich für 500 € an einen Exporthändler verkauft hatte. Zum Glück hatte er noch dessen Telefonnummer, so dass ich den Exporteur gleich anrufen konnte und schon für den nächsten Tag einen Termin vereinbaren konnte.


    Also fuhr ich am nächsten Tag ins Ruhrgebiet, wo der Exporthändler seine Fahrzeuge auf dem Besucherparkplatz einer Spedition ausstellte. Der Händler legte Wert darauf, dass er alle Fahrzeuge „für seinen Freund“ verkaufen würde, der „im Urlaub“ ist. Entsprechend war er mit gleich vier Mobiltelefonen ausgerüstet, die abwechselnd klingelten.


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    Da isser wieder: beim Exporthändler auf dem "Hof" (Besucherparkplatz einer Spedition)


    Ich kontrollierte, ob die Fahrzeugdaten stimmen, und wollte auch die Papiere sehen, die der Exporthändler in einem Metallkoffer bei sich trug. Das durfte ich allerdings nur auf 3 Meter Entfernung: der Händler hielt die Papiere hoch und blätterte nach meinen Anweisungen um, aber in die Hand nehmen durfte ich sie nicht. Der Händler begründete das mit schlechten Erfahrungen, da ihm zwei Afrikaner letztens die Papiere aus der Hand gerissen hätten und damit abgehauen wären. Außerdem war er sich sicher, dass ich ein holländischer Autoaufkäufer wäre, dem ohnehin nicht zu trauen ist. Nun ja, das Exportgeschäft ist eine eigene Welt…


    Verkaufsschild_vkl


    originelles Verkaufsschild. Die Daten sind leider falsch (keine Klima, dafür 2 Jahre TÜV)


    Der Preis des W202 hatte sich inzwischen auf 900 € erhöht, 50 € davon konnte ich noch herunterhandeln. Ich zahlte 100 € an und wir vereinbarten für nächste Woche einen Abholtermin. Ich holte das Auto dann mit dem Anhänger.


    W202silber_20130515


    Abholung im Ruhrgebiet


    Eine erste Bestandsaufnahme ergab mäßige Schweißarbeiten, durchgerostete Vorderkotflügel, einen ziemlich verranzten Innenraum, und eben diverse Basteleien wie blaue Innenbeleuchtung, Klarglasscheinwerfer unbekannter Herkunft, sowie viele Detailmängel.


    Geplant ist, den Wagen mit Gebrauchtteilen – insbesondere mit Blechteilen in Wagenfarbe – sanft durchzureparieren bzw. teilzurestaurieren, um die 20-jährige Patina zu erhalten, die Basteleien der Vorbesitzer jedoch ungeschehen zu machen.


    Ziel ist die Techno Classica 2023 in Essen, als erster W202 mit H-Kennzeichen.

    • Offizieller Beitrag

    Der C180 wurde am 19. Februar 1993 mit speziellem Produktionsauftrag im Zuge der Null- bzw. Vor-serienproduktion im Werk Sindelfingen fertiggestellt und an die Einfahrabteilung in Sindelfingen übergeben.


    Wartungsheft_vkl


    Ablieferungskontrolle in Sindelfingen (die Unterschrift habe ich unleserlich gemacht)


    Durchsicht_vkl


    3 Wochen später bereits die ersten 5.000km auf der Uhr, Betreuung durch die Einfahrabteilung in Sindelfingen


    Dort wurde er ziemlich genau ein Jahr und rund 100.000km wohl in der kundennahen Fahrerprobung getestet. Am 18.03.1994 wurde er als Jahreswagen über eine Händlerorganisation an einen Privatmann ins hessische Marburg verkauft. Der Marburger fuhr den C180 dann weitere gut 100.000km bis er ihn 2010 nach Koblenz weiterverkaufte. Der Koblenzer behielt den W202 zwei Jahre und verkaufte ihn an das Forenmitglied, der ihn dann als „Winterbenz“ nutzte.


    Die Ausstattung ist für heutige Verhältnisse mager, aber für den angestrebten Zweck der Fahrerpro-bung stimmig:


    Ein Schaltwagen mit Schiebedach, Sitzheizung, hinteren Kopfstützen, Feuerlöscher, einem automatischen Sperrdifferential, einer Alarmanlage (das Modell wurde ja Anfang 1993 noch gar nicht offiziell verkauft) und einem Radio Becker Grand Prix 2000 sowie weiteren Kleinigkeiten. Hier die SA-Codes im Detail:

    • 010 FAHRERPROBUNG W50
    • 211 AUTOMATISCHES SPERRDIFFERENTIAL (ASD)
    • 240 AUSSENTEMPERATURANZEIGE
    • 305 STAUBFILTER
    • 412 SCHIEBEDACH ELEKTRISCH MIT HUBEINRICHTUNG
    • 430 KOPFSTUETZEN IM FOND
    • 551 EINBRUCH- UND DIEBSTAHL-WARNANLAGE
    • 591 WAERMEDAEMMENDES GLAS, RUNDUM, HEIZBARE HECKSCHEIBE, ESG, INLAND
    • 682 FEUERLOESCHER
    • 724 LADEGUTBEFESTIGUNG (Gepäcknetz)
    • 751 AB 01.06.1990 BIS 31.03.1994 RADIO BECKER GRAND PRIX 2000 VK RDS
    • 873 SITZHEIZUNG FAHRERSITZ LINKS UND RECHTS
    • Offizieller Beitrag

    Hey Jörg, danke für den ausführlichen Bericht, der wurde ja auch schon sehnsüchtig erwartet. :D


    Ich freu mich, dass die Sache am Ende gut ausgegangen ist, da war ja nicht immer mit zu rechnen.


    Ist wirklich schön, so einen Wagen jetzt im Forum zu haben,...
    und dann ganz besonders, in den richtigen Händen. ;)


    Viel Erfolg beim Aufbau, zusammen mit deinen Jungs.


    Bin gespannt, was hier an dieser Stelle, in den nächsten Monaten und Jahren so zusammengetragen wird.


    Also, auch nochmal hier, meinen Glückwunsch zum Fahrzeug und zu einer scheinbar sehr toleranten Ehefrau. xD


    Grüße
    Daniel

  • Wow, die besten Geschichten schreibt das Leben echt noch selbst :thumbup: So ein Aufwand für so ein Auto ist natürlich auch nur für Leute nachvollziebar, die selbst ne Macke haben ;)


    Hat der Wagen Sitzheizung aber keine El. Fensterheber ?


    Viel Spaß mit dem Wagen und viel Glück 2023, dass du den ersten H zugelassenen 202 hast :thumbup:

  • Das war damals normal, komische Kombinationen in so ein Auto zu stecken.
    Oder warum sollte ein 180er ein Sperrdiff haben? :D


    Jörg, herzlich willkommen hier im Forum. Bla bla und knitterfreie Fahrt, handbreit Sprit und so weiter :D

  • Super interessant, ich freue mich, dir damals geholfen zu haben mit den Kontaktdaten :)


    Ich drücke dir die Daumen für dein Vorhaben, den ersten W202 mit H-Zulassung zu fahren :thumbup:


    Ich hoffe du wirst weiterhin ausfühlich berichten, wie es mit dem Wagen weiter geht?

    • Offizieller Beitrag

    Normalerweise hätte ich den W108 genommen, der hat 1.9to Anhängelast. Aber ich wollte den Exporthändler nicht noch mehr irritieren. Von dem hätte ich auch erwartet dass er mir zum Abholtermin sagt "Auto kostet jetzt 1.200 - entweder Du zahlst und nimmst mit, oder Du fährst wieder nach Hause".


    Ich kann ja mal spasseshalber den "Kaufvertrag" einstellen, den wir gemacht haben. Der Verkäufer ist da voll in der Sachmängelhaftung... :D


    Gruß Jörg