Aber für mich ist Politologie auch keine Wissenschaft, sondern eine Pseudowissenschaft. Zumindest ist das gerne der Fall, weil die wenigsten Politologen frei von eigenen politischen Meinungen sind.
Hmmm...
jein. Ich würde sogar sagen, daß kein Politologe frei ist von einer eigenen Meinung. Niemand kann hundertprozentig "objektiv" sein.
Es kommt nur drauf an, sich selbst drüber klar zu sein - und den Lesern darüber reinen Wein usw. Der Historiker Heinrich August Winkler hat das z.B. so gemacht in der Einleitung zu seiner - auch nach 40 Jahren noch höchst lesenswerten - Trilogie über die Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik.
Ob's eine Wissenschaft ist oder nicht - da müßte ich mich jetzt auskennen, wie sich Wissenschaft definiert. Nur habe ich mich um solchen Denksport auf der Uni immer herumgedrückt
. Tatsächlich aber kann die Politologie/Politikwissenschaft (ggf. verbunden mit einem Schuß Geschichtswissenschaft) einem schon mal ein ganzes Stück weiterhelfen, wenn's darum geht, sich z.B. von aktuellen Trends oder Entwicklungen nicht in der einen oder anderen Richtung verrücktmachen zu lassen. Oder ihnen nicht gedankenlos hinterherzurennen. Oder unhinterfragt Werte und Maßstäbe zu übernehmen, die einem gerade mal die Leute um einen herum vorplappern.
Ich glaube, wenn mehr Leute einen Grundstock politikwissenschaftlichen Denkens mitbrächten, gäbe es auf diesen unsäglichen Portalen wie dem Fratzenbuch oder X weniger Stürme von Sch... Die Leute wüßten, wie sie das eine oder andere, was sie so aus den Nachrichten erfahren, einzuordnen hätten, und würden öfters die Kirche im Dorf usw.
Was das BPB-Video angeht: Hat jemand evtl. den Link? Auf der Seite der WELT finde ich da nichts, nicht mal wörtliche Zitate in Textform. Ganz schön mager.
Unten finden dort 35mal soviele Leser den Kommentar gut, wie andere ihn schlecht finden. Kann man natürlich auch super beurteilen, wenn man das Streitobjekt gar nicht mehr kennen kann.
Aber hier dürfte es weniger um einen streitbaren, möglicherweise schlechten Filmbeitrag gehen als darum, daß womöglich die heiligen Kühe Profifußball und deutscher Patriotismus angepinkelt worden sind. Das ist letztlich noch schlimmer als ein Sonntags-Fahrverbot.
Da schwillt Springers natürlich sofort der Kamm.
Was die "WELT-Flügelflitzerin" angeht - Tach, Herr Pawlow. Man kann beim Lesen dran fühlen: Die arbeitet sich teils auch an den üblichen Feindbildern ab, die diesem Konzern seit Jahrzehnten sauer aufstoßen.
Die BPB - klar, sie ist potentiell pluralistisch: das ist schon mal ein Problem, denn eigentlich gibt es ja zu allen möglichen Dingen nur eine begründete Meinung (nämlich unsere). Und da reicht es schon, daß mir ein Video sauer aufstößt, daß ich meine Wut ablasse und die ganze Institution auf den Mond wünsche.
Und das böse ZDF gleich mit dazu - überhaupt, die schlimmen ÖR-Medien, alles rot bzw. linksgrün unterwandert. Fanden unsere Väter schon 1950 furchtbar, wie die sich aufgeführt haben. Wurden uns ja auch von den Alliierten aufgenötigt.
Das müßte man ja alles endlich privatisieren, die BPB auch, denn die verbrennen ja eigentlich nur unsere Steuern bzw. Beiträge. Das könnten Private alles besser. (Private können überhaupt alles besser. Äh, außer den Dingen, die ich persönlich von unserem Staat will - das soll doch bitteschön für mich kostenfrei und umfassend pampernd, also staatlich bleiben.)
Jetzt werde ich mal drastisch: Die BPB kann dazu beitragen, demokratische Werte zu fördern und pluralistisches Denken zu lehren, und hat das in vielen Fällen unter Beweis gestellt.
Wer das nicht glaubt, der darf mal in neueste teilweise mehrbändige BPB-Publikationen zum versiebten Zusammenwachsen der Alt-Bundesländer mit dem Beitrittsgebiet in den 90er Jahren gucken. Was da drinsteht, ist dermaßen wenig staatstragend und dafür dermaßen unbequem-bohrend, daß ich durchaus überrascht war. Es füllt echte Lücken. So drastisch hätte das vor 25 Jahren eine Zeitung allenfalls in ausdrücklich als Kommentar gekennzeichneten Beiträgen geschrieben - und der Kommentator hätte gefürchtet, dafür von der Mehrheit in der Luft zerrissen zu werden. (Springer würde bis heute nicht den Finger in diese Wunden legen.)
Davon könnten sich auch "WELT-Flügelflitzerinnen" überzeugen - aber dazu müßte man ja Bücher lesen, statt sich bequem von Videos berieseln zu lassen - und ich weiß nicht, ob der Trend zum Zweitbuch auch in solchen Jung-Autorinnenkreisen schon angekommen ist.
Der Springer-Verlag hingegen hat in mehr als einem halben Jahrhundert in der Förderung von Meinungspluralismus, Toleranz und übrigens auch i.w.S. christlich-jüdisch-biblischen Werten (auf denen er ja gern mal rumreitet - ähnlich selektiv wie bei der Betrachtung anderer Themen) bislang überwiegend unterentwickelte Fähigkeiten bewiesen. Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum.
Das war jetzt alles auch nicht objektiv. Ich weiß
.
Aber im Gegensatz zu "WELT-Flügelflitzerinnen" mit ihren originellen Vorstellungen zum Sinn der BPB habe ich umgekehrt nicht etwa verlangt, den Springer-Verlag zu enteignen
.