Reisetip: Auto-Urlaub (fast) von Anfang an - 2.000 bzw. 3.700 km mit dem W202 durch Frankreich

  • Teil 1


    Moinsen :)


    Zwar geht es im Forum meistens um Technik - aber letztlich ist so eine C-Klasse ja dazu da, mit ihr herumzufahren. Und da hatte ich in den letzten Jahren mehrere Male ein Erlebnis, das selbst mir als passioniertem Bahn- und Radfahrer :blush: Lust aufs Autofahren gemacht hat :).
    Grund genug, das hier auszubreiten.


    Gerade hat mir nämlich wieder jemand aus dem Freundeskreis erzählt, wie er in 14 Stunden am Stück vom Rheinland nach Südfrankreich durchgefahren ist. Ich erinnere mich auch noch aus eigener (Kindheits-)Erfahrung an neun- oder zehnstündige Autobahntage auf Südkurs. Spaß machten die jedenfalls nicht. Wenn mein Vater an diesen Urlaubstagen am Steuer saß, konnte er den Punkt "Lebensqualität" abhaken: gleich Null. :S


    "Muß irgendwie auch anders gehen", habe ich mir schon vor ein paar Jahren gedacht - und das Resultat war also bei bislang drei Unternehmungen jedesmal höchst genußträchtig. Vom speziellen Charme Frankreichs ganz abgesehen, kann man diese Form des "cruisens" sicher auf einige andere Länder und Regionen übertragen.




    Statt Streß und Nackenverspannung auf der Autobahn also: Landstraße. Eine Fülle von Eindrücken, ganz verschiedene Landschaften, entspanntes Herumkurven, Pausen (wie hier an einer kleinen Brücke südöstlich von Paris), Picknicks, Spaziergänge, kleine Ausflüge. Und unerwartete Eindrücke wie der Anblick des imposanten Château de Murol in der Auvergne.




    Und auch eine der außergewöhnlichsten europäischen Autobahnbrücken, den Viaduc de Millau, sieht man so richtig nur als Landstraßenfahrer, aus der Entfernung.


    Wohin?


    Nach "Südfrankreich", das hieß in meinem Fall unter anderem: zur als Gästehaus betriebenen Abtei La Gardiole in Conqueyrac,



    einem winzigen Nest etwa 40 km nördlich von Montpellier - wo ich französische Freunde auf einem Musik-Workshop treffen wollte. In einem anderen Fall war dessen Schauplatz eine Art aufgebohrte Jugendherberge im Mittelgebirge nahe der Dordogne, in Meilhac, eine Stunde von Brive-la-Gaillarde.



    Frankreichs Straßen: mautfrei heißt nicht "zweitklassig"


    Bekanntlich gibt es in Frankreich neben den überwiegend mautpflichtigen Autobahnen auch ein gut ausgebautes mautfreies Fernstraßennetz. Die ursprünglich zu Napoleons Zeiten konzipierten Routes Nationales (rote Schilder "N" mit jeweiliger Nummer) ähneln nach meinem Eindruck prinzipiell unseren Bundesstraßen, oft sind sie allerdings auch opulenter. Zumindest sind zusätzliche Überholspuren weitaus häufiger zu finden als bei uns.
    Ähnlich habe ich es mit den Straßen eine Kategorie drunter erlebt, den Routes Départmentales (gelbe Schilder "D" mit jew. Nummer) - die sind wie die N's im Gegensatz zu unseren Landstraßen mitunter sogar vierspurig und auch sonst oft kaum von einer N zu unterscheiden. Andere D's wiederum sehen aus wie diese Ortsdurchfahrt:



    Hinzu kommen natürlich kleine Straßen und -sträßchen - auch die können bei so einem Reisevorhaben eine Rolle spielen.
    Unter dem Strich habe ich den Eindruck, daß man auf einer Reise abseits der Autobahnen in Frankreich spürbar schneller vorankommt als in Deutschland - es ist natürlich auch deutlich dünner besiedelt: weniger Ortsdurchfahrten, weniger Ampeln, weniger Verkehr im Ganzen, freiere Bahn.


    Grob gesehen, nahm sich die kürzestmögliche Gesamtstrecke nach Conqueyrac dann beispielsweise so aus:



    Alternativ kann man natürlich von vornherein größere Schlenker einplanen, wie hier über die Regionen der Flüsse Vienne und Loire:



    Gute Vorbereitung lohnt sich


    Als Kind des Analogzeitalters nehme ich neben dem vorhandenen Navigationsgerät - "le GPS", wie die Franzosen dazu sagen - zwingend auch einen brauchbaren Atlas mit. In diesem Falle den französischen Brot-und-Butter-Klassiker, den Michelin Atlas Routier et Touristique, 1:200.000, knapp zwei Finger dick, praktischerweise spiralgebunden und auch ansonsten rundherum brauchbar.



    Man kann sich damit auch zwischen den ganz kleinen Nestern sehr gut zurechtfinden. (Die Kompaßfunktion des GPS ist natürlich eine praktische Ergänzung; denn manchmal muß man wirklich ein wenig auf Richtung fahren, und wenn da gerade mal nicht die Sonne scheint :rolleyes: ...) So etwas wie die lauschige Bourgogne rund um Chalon-sur-Saône sieht dann z.B. so aus:



    Apropos - die meisten französischen Städte sind natürlich enspannter als Paris. In Chalon zum Beispiel kann man auch mal gepflegt pausieren und ein bißchen herumstreifen, um überall typische französische Altbauten zu beäugen:



    Erst recht als "le GPS" irgendwann mal in der Franche-Comté bei Tempo 90 auf einer vierspurigen Brücke sagte: "Biegen Sie jetzt links ab!", wußte ich, daß es eine gute Entscheidung war, den Atlas an Bord zu haben. Etliche Male war er das Mittel der Wahl, sich zurechtzufinden; und darüber hinaus konnte man gut mit ihm die Tagesrouten planen oder kleine Abstecher einschieben, aber dazu gleich mehr.


    Am schlauesten ist es natürlich, das zu tun, was ich bislang nur teilweise geschafft habe: Gezielt nach sehenswerten und besonderen Orten oder Gegenden Ausschau halten und die Route von vornherein entsprechend planen. Nachteil ist, daß man dort womöglich auf Touristenmassen gefaßt sein muß: In Vezelay, Cluny und La-Charité-sur-Loire ging es noch, aber von der Loire selbst und ihren total überlaufenen Schlössern habe ich mich sogar noch an einem Wochentag schnell zurückgezogen und bin statt dessen den sehr schönen Nebenfluß Chèr entlanggefahren.

  • Teil 2


    Statt Hotelkette: Frankreich pur - die Übernachtungen



    Nahe der Loire: Der morgendliche Blick aus dem Zimmerfenster zum Parkplatz.


    Natürlich - man könnte im Hotel schlafen. Man könnte umgekehrt auch im Wohnmobil herumfahren oder zelten. Für letzteres war ich zu faul und bequem; und außerdem wollte ich mehr von Land und Leuten mitkriegen.
    Da gibt es praktischerweise Portale wie Gîtes de France, auf denen man sich nach Nächtigungsmöglichkeiten auch abseits von Nullachtfuffzehn umsehen kann. Ich selber bin über das Portal Bedandbreakfast gegangen, aber das ist im Prinzip dasselbe; zumal viele Etablissements sowohl-als-auch zu finden sind. Da stößt man dann also auf Möglichkeiten unterschiedlichster Natur.
    Bewährt haben sich bei mir die privaten Gästezimmer in Kleinstädten oder Dörfern oder komplett auf dem Land. Beim Aussuchen kann man kann sich sehr gut an den Bewertungen und Bildern orientieren.
    Und preislich? Über den Daumen kostet eine 1-a-Übernachtung mit Rundum-Service und erlesenem Frühstück auf dem Land bei netten Privatleuten in der Regel weniger als in einer lausigen Hotel-Absteige in Paris im hellhörigen Zimmer ohne einen Krümel Frühstück an einer lärmigen Durchgangsstraße.



    Typische Chambre d'hôte auf dem Land, in diesem Fall auf einem ursprünglich im 18. Jahrhundert gebauten Bauernhof. Die Fenster links oberhalb des rosa Raucher-tischchens gehörten zum Zimmer, die rechts daneben zum Frühstücksraum, einer weitläufigen Wohnküche.


    Und die tägliche Beköstigung?


    Einige Wirtsleute bieten gegen Aufpreis noch ein Abendessen an - und in allen Fällen hat es sich gelohnt, daß ich nur in Häusern mit Frühstücksangebot genächtigt habe: Bis auf einen Fall (eine kuriose Mischung aus Hochhaus-WG und Studentenwohnheim in Marseille, immerhin unschlagbar billig) war dieses Frühstück üppig, lecker, gerade bei ländlichen Privat-Wirtsleuten in der Regel sogar exorbitant lecker. Meistens sind dann auch noch andere Gäste da, mit denen man schnell ins Gespräch kommt. Und wenn nicht, dann kann man sich den Atlas schnappen und beim Croissant- und Baguetteknuspern und Kaffeeschlürfen aus dem bol schon mal in Ruhe die Details der kommenden Tagesroute planen.
    Mittags bieten französische Restaurants zwar nicht unbedingt billige, aber gemessen am Qualitätsniveau zumeist preiswerte (abends wird's spürbar teurer) zwei- bis dreigängige Menüs an. Daß bei unseren Nachbarn gut gegessen wird, dürfte sich herumgesprochen haben.
    Wenn an der Chambre d'hôte kein Abendessen angeboten wird, können die Wirtsleute praktisch immer mehrere gute Restaurants in der Umgebung empfehlen. Sie sind auf Fragen danach schon vorbereitet.


    Lebens-Art


    Apropos Wirtsleute: Wer privat Zimmer vermietet, dürfte tendenziell gastfreundlich sein - ich habe jedenfalls nie was anderes erlebt. Das kann von der professionellen Gastfreundlichkeit eines Hoteliers bis zum regelrechten Familienanschluß reichen. Was die Sprache angeht, habe ich versucht, mit meinem Französisch durchzukommen (um zu üben), aber man wäre in den meisten Fällen wohl auch mit Englisch klargekommen - die Leute sind es gewohnt, daß ihre Gäste aus unterschiedlichen Ländern kommen. (Nur mit Deutsch allein wäre es wohl schwierig gewesen - viele Franzosen, denen ich begegnet bin, haben zwar auf der Schule mitunter etliche Jahre lang Deutsch gehabt, danach aber mangels Praxis alles wieder vergessen.)
    Im Vier-Sterne-Hotel hätte man dann vielleicht komfortablere Duschen und Bäder, und die Zimmer wären gelackter. Aber in diesen Chambres d'hôte ist man viel näher dran an Frankreich - mittendrin und höchst individuell.


    Kostproben?


    Die sind willkürlich herausgegriffen - es gibt solche Herbergen zu Hunderten bis Tausenden, und keine gleicht der anderen.



    In diesem kleinen abgelegenen Schlößchen unweit der Loire wurde sogar noch aus dem Stand ein kleines abendliches déjeuner gezaubert, serviert im parkähnlichen Garten hinterm Haus.



    Vor den Toren Dijons lag die sehr charmante Unterkunft Le Pressoir, in der man zum Frühstück gleich sechs erlesene Sorten hausgemachter Konfitüre aus Früchten des eigenen Gartens bekam. Bislang quantitativer und qualitativer Rekord. Äußerst nette Gastgeber.


    Nostalgischen Charme versprühte dieses Haus in Vourles bei Lyon, das Mitte des 19. Jahrhunderts als Landhaus entstand. Abermals sehr nette und zuvorkommende Wirtsleute.



    Die Gänge irgendwann nicht mehr gezählt habe ich bei dieser abendlichen Table d'hôte in der schon etwas größeren Maison de Magnolia in Confolens im Limousin; getafelt wurde im Garten hinterm Haus direkt am Ufer der Vienne. Am nächsten Morgen beim Frühstück pulverisierten die Croissants und Schoko-Croissants alle einschlägigen Qualitätsrekorde. :D


    Auch in der Villa Léa in einer Vorstadt von Toulouse war man sehr gut aufgehoben (man beachte das "echt" alte Interieur) - erstklassig zuvorkommende Wirtsleute.


    Wie man die generelle Route und die täglichen Routen planen kann


    Das waren in der Tat zwei Schritte.



    In der Praxis für spontane Umwege immer mal praktisch: typischer französischer Wegweiser. Der hier stand ungefähr 40 km südwestlich von Tours. Zusatztafeln verraten die Nummern der betreffenden Straßen, in diesem Falle die D 115. Diese Nummern sind mitten in der Pampa zusammen mit dem GPS-Kompaß und dem Atlas öfters sehr nützlich, um sich zurechtzufinden.


    Wer im Gegensatz zu mir richtig gut Französisch spricht und sich folglich auch von jetzt auf gleich noch eine Chambre d'hôte suchen kann, kann natürlich einfach so ins Blaue losfahren. Das wäre sicher die Idealform solch eines Urlaubs. Das allerdings habe ich mir dann aus sprachlichen Gründen doch nicht zugetraut und deshalb alle Nächtigungen vorher klargemacht.
    Und das, um nicht in Zeitdruck zu geraten (denn nicht in jeder Chambre d'hôte kann man noch spätabends anrücken), mit nicht zu langen Tagesetappen. Letztlich bewährt haben sich bei mir solche zwischen 250 und 300 km. Man hat viel Zeit, nichts treibt einen. Unter dem Strich habe ich zwar an jedem dieser Tage brutto (also inkl. Pausen, mal ein paar Minuten vom Auto weg gewandert, mal längeres Picknick, Ortserkundung etc.) acht bis neun Stunden hinterm Steuer gesessen, aber das war selbst für mich als nicht sonderlich geübten Fahrer keine Anstrengung. Man war abends immer noch fit.



    Diese Route Départementale in der tiefsten Auvergne war nur eines von unzähligen Beispielen einer komfortabel ausgebauten Landstraße. Ich hatte die Kamera schlauerweise ganz unten im Kofferraum und mußte letzteren deshalb komplett ausräumen ;).


    Wie sehr diese entspannte Reisemethode mit den Landstraßen zusammenhing, habe ich gemerkt, als ich mich irgendwann mal wegen einer Verabredung sputen und für zwei Stunden auf die (mautfreie, deshalb volle) A 20 Limoges-Brive mußte: lärmig, hektisch und anstrengend :S , fast wie bei uns auf der A 1 oder A 3. Welch ein Genuß, danach wieder auf die Landstraße zu gehen 8o - und in der Nähe von Brive ein mittägliches Picknick im Tal an einer alten Wassermühle zu machen:




    Greifen wir mal ein paar Beispiele für Eindrücke raus - angefangen mit einer typischen morgendlichen Startsituation beim Packen. In diesem Falle ist nur der Ort selbst außergewöhnlich: Besse ist ein kleines Nest in der Auvergne - einer vulkanischen Region des Massif Central -, das im Winter von Skitouristen überschwemmt sein dürfte. Früher eine nicht unwichtige kleine Handelsstadt, deren historisches Zentrum vor allem aus dem grauen Gestein erbaut ist, das man auf den Häusern in der Mitte und rechts sehen kann. Die Chambre d'hôte befand sich im zweiten Haus von links, der Gastgeber betrieb hauptberuflich die einzige Fahrschule weit und breit und zeigte mir beim Abendessen in der Wohnküche Videos seiner intensiven Ultraleichtflug-Aktivitäten über der Berglandschaft der Auvergne :).



    Im Frühjahr eine gute Idee: in der noch sehr vor-frühlingshaft kühlen Auvergne zu starten und sich dann ins Languedoc Richtung Mittelmeerküste zu bewegen. Mit jedem Kilometer wird es ein bißchen wärmer und vorsommerlicher. Wer wie ich gerne kurvige Bergstraßen fährt, ist zwischen dem bekannten Le-Puy-en-Velay und Alès bestens bedient: die einsame D 906 (obere Bildhälfte, links der Mitte) führt im wilden Slalom durch die Cevennen. Wahrscheinlich auch eine fabelhafte Strecke für Motorradfahrer.


  • Teil 3


    Das französische totale Gegenteil des hektischen Paris sind stille Ecken wie das Tal der Vienne, der man nach Norden bis in die Loiregegend folgen kann




    Oder man bewegt sich ein bißchen östlich - noch lauschiger wird es an der Gartempe, wie hier in dem idyllischen Saint-Pierre-de-Maillé:



    Nur ein paar Kilometer Umweg gen Osten braucht es, und man landet in Angles-sur-l'Anglin, seines Zeichens eines der offiziell schönsten Dörfer Frankreichs.
    À propos: Zu diesem und ähnlich schönen Dörfern gibt es auch eine Seite, an der man sich natürlich schon bei der Routenaustüftelei orientieren kann.


    Ich selber habe mir außerdem mit der Serie "Villages de France" Appetit gemacht, die 2017 auf ARTE zu sehen war und von der auch noch einige Folgen auf dem bekannten Portal zu finden sind.


    Nach der Landstraßen-Methode kann man auch geschichtsträchtige Orte aufsuchen. Etwa Oradour-sur-Glane bei Limoges: eine Kleinstadt, die 1944 einem Kriegsverbrechen der Waffen-SS zum Opfer fiel und nie wiederaufgebaut wurde. In Anbetracht der auch anderswo in Frankreich begangenen tausendfachen Mordes ein immer noch berührendes Gefühl, daß ich als Deutscher in Frankreich heute nirgends unfreundlich aufgenommen wurde.


    Südlich der Stadt Verdun ausgeschildert ist eine sog. Voie Sacrée: jene Straße von Bar-le-Duc, über die während der mörderischen Schlacht von Verdun 1916 die französische Front mit Nachschub versorgt wurde - eine der ersten großen militärischen Versorgungsaktionen überhaupt, die vornehmlich mit LKWs durchgeführt wurde.


    Frappierend im Ganzen, daß man in fast jeder Stadt und jedem Dorf ein Denkmal findet, das an die Toten des Ersten Weltkrieges erinnert. Man kann ablesen, wie in der Zeit, in der die Europäer ihren Nationalismus auskosteten, unzählige Familien gleich mehrere Generationen ihrer Väter, Ehemänner und Söhne verloren - und kann sich nur ausmalen, wie tiefgreifend sich das Leben in diesen Dörfern 1918 gegenüber 1914 verändert hatte.
    Dieses Denkmal steht in einem Dorf in der Auvergne.



    Die große Zahl der Namen ist um so bedrückender, als das zugehörige Saint-Donat (gut 45 km südwestlich Clermond-Ferrands) wirklich nur ein Dorf ist:



    Zurück zum Thema Routenplanung:


    Den ersten Schritt bildeten also die in der Länge wohldosierten Tagesetappen.


    Wenn man die dann im zweiten Schritt allerdings nur "le GPS" überläßt, holt man bei weitem nicht alles raus.
    Entweder man wählt die "schnellste" Route. Dann hängt man praktisch nur auf großen Routes Nationales, hat ratzfatz 80 oder 100 km runtergespult - und ist an vielen schönen Ecken vorbeigefahren.
    Wählt man allerdings die "kürzeste" Route, landete man in meinem Fall (ein etwas betagteres TomTom-Gerät) immer wieder buchstäblich auf Feldwegen oder mitten im Wald. Das schon mal in Dimensionen, bei denen ich mir einen alten Land Rover gewünscht hätte. Für den über 20 Jahre alten W202 wurde das dann doch etwas wüst.
    Irgendwann bin ich auf den Trichter gekommen, morgens beim Frühstück im Atlas nach brauchbaren, aber kleinen Straßenverbindungen zu suchen und daranliegende Dörfer als Stationen einer "schnellsten" Route ins GPS einzugeben. Damit konnte man also die hektischen Routes Nationales umgehen, ohne gleich quasi-querfeldein fahren zu müssen.
    Ganz von selber ergab sich dann auf diesen meist total einsamen Straßen auch eine entspannte Geschwindigkeit - 60 km/h, bei bis zum Anschlag offenem Schiebedach und komplett runtergekurbelten Seitenfenstern (also ein Hauch von Deux-Chevaux ;) ), wie hier an einem Sonntagmittag im Tal der Vienne. :)



    Denn man will als Auto-Wanderer ja was sehen - und was zu sehen gibt es. Nicht zuletzt die Gegenden, die man landläufig vielleicht nicht so kennt. Südfranzösisches Paradebeispiel: der bergige Aveyron.
    Der Trou de Bouzouls, eine glatt 100 m tiefe Schlucht, ist dort nur eines der Landschafts-Schmankerl.


    Die Methode mit den Landstraßen hat nur für diejenigen, die von Nord- oder Westdeutschland aus kommen, einen gewissen Haken: Fährt man von Belgien, z.B. aus der Brüsseler Region aus, nach Frankreich rein, landet man höchstwahrscheinlich in der Picardie. Und die war landschaftlich so ziemlich das Langweiligste, was mir auf allen Fahrten begegnet ist:




    Es lohnt sich also, diesen Teil von Frankreichs Norden (sofern man nach Süden will) entweder auf der (schnellen, aber dummerweise schwerstens schwerverkehrsreichen) N2 zu durchqueren, oder sogar gleich auf der Autobahn - oder eher etwas östlich, z.B. auf der Höhe von Reims. Dort wird es bergiger und interessanter. Erst recht natürlich in Lothringen oder in den Ardennen.



    Schon weiter im Süden, jenseits der Loire: Typisches Provinzdorf


    Das gemütliche Fahren und das französische Fahren


    Auf belebteren Straßen hätte ich mich mit meiner Wanderer-Fahrweise natürlich ziemlich unbeliebt gemacht. Formal darf man hier je nach Ausbauzustand der Straße meist 80 km/h bzw. 110 km/h fahren (letzteres speziell auf vierspurigen Straßen); und man kann überall lesen, wie teuer es wird, wenn man mit mehr erwischt wird. Allerdings fuhren die Franzosen, denen ich begegnet bin, durch die Bank einen reichlich heißen Reifen - sie waren regelmäßig locker 15 km/h schneller unterwegs als ich mit meinen 90 (die bis vor kurzem auf den Landstraßen noch erlaubt waren). Wenn es keinen Überholstreifen gab, half da also nur: So bald wie möglich rechts ranfahren und vorbeilassen.



    Zu meiner Fahrweise hätte zugegeben am ehesten dieses Auto gepaßt - man sieht sie ab und an immer noch in Frankreich: la Deux-Chevaux.


    Ach ja: Auf meinen Touren haben immer wieder die Spritpreise für Überraschungen gesorgt. Genauer: ihre Preisspanne. Bot die eine Tankstelle das Zeug zu Tarifen an, die man bei uns von der Autobahn kennt, gab es den Liter Super ein paar Kilometer weiter und in keineswegs abseitiger Lage 15 bis 20 Cent billiger. Am besten also, man hält schon bei zu 2/3 leerem Tank Ausschau und läßt ihn bei einem guten Angebot auf Vorrat bis zur Halskrause vollaufen.


    Gerade auf dem Land relativ häufig sind übrigens reine Automatentankstellen, an denen man mit Kreditkarte zahlt. Bei meinen Versuchen nahmen viele dieser Tankstellen die Karte allerdings nicht. (Keine Ahnung, warum, kann an meiner Karte gelegen haben.) Ein Grund mehr, den Tank nicht bis an die Reservegrenze leerzufahren.


    Und der 1995er W202 ?


    Das Erbstück lief bei den ganzen Aktionen selbst auf den Feld- und Waldwegen anstandslos und war das reine Vergnügen. Gut, ich bin kein sonderlich eiliger Fahrer, deshalb reichte der 1,8-l-Motor mit Viergang-Automatik total aus. An stärkeren Steigungen dauerte es dann halt etwas länger. Unverzichtbar hingegen war mir unter der französischen Sonne das meist komplett offene Schiebedach :). Dazu bei langsamerem Tempo alle vier Scheiben runter, bei schnelleren Abschnitten nur die hinteren beiden Fenster zwei Finger breit runter :thumbup: - die Klimaanlage habe ich kaum mal gebraucht.




    Trotz der gegenüber der reinen Autobahnfahrt häufigeren Beschleunigungen und Bremsereien hielt sich der Durst des Maschinchens übrigens angenehm in Grenzen. Ich bin bei über den Daumen 6,6-7 l Super (kein E10) auf 100 km gelandet (auf den ersten 1.000 km von Krefeld in die Franche-Comté [bis Mulhouse natürlich Autobahn] waren es einmal ziemlich exakt 6,66). Ihr könnt daran ablesen, daß ich die Karre nicht gerade getreten habe ;).


    Was tun, wenn unterwegs mal was kaputtgeht?


    Aus eigener Erfahrung kann ich da (siehe oben) nichts Aussagekräftiges berichten. Generell bin ich mit einem auslandsschutzbriefähnlichen Etwas unterwegs, mit dem ich mich im Falle des Liegenbleibens gut aufgehoben fühlen dürfte.


    Die einzige Panne war buchstäblich eine ebensolche - als ich mir nämlich auf der Parkplatz-Wiese exakt an der Parkposition im oben erwähnten Meilhac eine ziemlich dicke Schraube in den linken Vorderreifen semmelte (was natürlich nicht sofort auffiel, sondern erst eine Woche später kurz vor dem erneuten Aufbruch :rolleyes: ). Zum Glück konnten mir die Herbergsleute eine sehr kompetente Werkstatt in der 15 Minuten entfernten Kreisstadt empfehlen; und die konnte den defekten Reifen sogar samstagmorgens auf die Schnelle noch rechtzeitig zum Aufbruch reparieren: keine 20 Ocken, und der Reifen hat danach noch einige Tausend Kilometer durchgehalten. Sofern man also mit den Franzosen gut klarkommt, werden die einem wohl in den allermeisten Pannen-Lagen eine passende Werkstatt empfehlen können oder sogar noch mehr Hilfe leisten.


    Sollte dieser Bericht jemandem Appetit gemacht haben - dann nicht von ungefähr :D. Ich kann diese Art der Auto-Wanderung wirklich empfehlen.


    Ach ja: Jemand könnte sich fragen, warum ich alles mit "Urlaub (fast) von Anfang an" überschrieben habe: Nun ja, die Anfahrtstrecken durch Deutschland bzw. Belgien habe ich jeweils auf Autobahnen hinter mich gebracht. Und wenn man erst mal von Krefeld bis Südbaden über A 61, A 5 und Co. unterwegs ist, geht der Urlaub eigentlich erst an der ersten Abfahrt hinter der französischen Grenze los, an der man danach die volle Autobahn endlich verlassen kann ;).

  • Also ich kann das unterstreichen, aber man kann mit den Franzosen besser englisch reden, wenn man sich ein bisschen mit französisch radebrechen übt. Wenn die einen für einen Amerikaner oder noch schlimmer Engländer halten, verstehen die prinzipiell nur noch französisch. Jetzt beginnen in den VHS die Kurse und für einen A1 sollte es bis nächstes Jahr reichen. Damit kann man nach dem Weg fragen, lernt dass die Ampel das Feuer ist und kann rechts, links und geradeaus unterscheiden.


    Auch wenn man in Frankreich Autobahn fährt, ist es deutlich entspannter wie hier. Und nicht alle Autobahnen kosten Geld (peage). Für manche Städte sollte man sich erkundigen, wegen der Umweltplakette. Die kann man für um die drei-vier Euro bekommen, manche Dienstleister wollen 20 haben, man kriegt die aber im Internet bei den Behörden direkt und in deutsch.


    Strafzettel sind etwas teurer wie hier, aber in den menschenleeren Regionen trifft man eh kaum Polizei.


    Danke zum Tipp mit der Loire, da wollte ich auch mal hin, muss ich also warten bis zur Rente und dann gehen in der nebensaison, wenn evtl weniger Chinesen unterwegs sind.

    ein richtiger Mercedes hat den Stern auf der Haube :P

  • So reise ich seit Führerscheinerhalt und damit dem Cabriobesitz.
    Erst nach Karte und seit
    Navi option Autobahn meiden und eine Stadt die grob in der richtung liegt eingegeben.
    Wen es interessiert-im Schnitt dauert die strecke doppelt so lange wie über die Bahn.Aber zu sehen gibt es viel und das nicht nur im Ausland.
    In Belgien hatten wir mal eine traumhafte superbillige Unterkunft wo wir 10 Tage hängengeblieben sind.Das war bisher der längste Aufenthalt im Urlaub an einem Ort.
    Und meistends ein Fahrzeug das älter war als der Fahrer.

  • mk67

    Hat den Titel des Themas von „Reisetip: Auto-Urlaub (fast) von Anfang an - 2.000 km mit dem W202 durch Frankreich“ zu „Reisetip: Auto-Urlaub (fast) von Anfang an - 2.000 bzw. 3.700 km mit dem W202 durch Frankreich“ geändert.
  • Die W202-Cruiserei von 2017 hat letztes Frühjahr eine genußträchtige Fortsetzung erfahren - diesmal waren es insgesamt 3.720 km ;), eine Rundreise Rheinland > Bourgogne > Südwestalpen > Provence > Mittelmeer > Aveyron > Pyrenäen > Limousin > Ile de France > Picardie > Belgien > Rheinland.


    Sehr zur Nachahmung empfohlen (natürlich wieder unter weitgehender Abkehr von Autobahnen) ...



    In der Nähe des Buchstabens "C" im rechten Bild halfen mir in einem kleinen Bergdorf drei sehr freundliche, mir leider unbekannte Franzosen mittels eines Rangierwagenhebers, mehreren Holzbalken und eines klapprigen Golf III dabei, den 202 wieder aus dem Straßengraben rauszuholen :knuddel:.



    Falls jemand mal in den nördlichen Pyrenäen unterwegs ist - die Gorges de Galamus sind buchstäblich atemberaubend :pointing: 8|: eine ca 300 Meter tiefe Schlucht zwischen Carcassonne und Perpignan mit einer in den Fels gehauenen engen Bergstraße (max. Durchfahrtshöhe 2,7 Meter). Nur während der Sommermonate dürfte es dort arg voll werden :blink:.


    Die Tour war diesmal beruflich bedingt - es ist auch eine ganz nette Radio-Reisereportage über mittelalterliche Klöster dabei rausgekommen.


    Michael

  • Ich ziehe das Thema mal hoch, weil ich gerade zum Reiseziel Gorges de Galamus auf ein höchst anschauliches Filmchen gestoßen bin, das jemand vonnet Moppett runter gedreht hat.


    Ihr könnt an vielen Stellen sehen, wie dermaßen spektakulär diese Schlucht ist 8| :thumbup: - sie ist ganz klar einen Reise-Abstecher wert, auch wenn man z.B. gerade auf der Autobahn bei Perpignan nach Spanien unterwegs ist und meint, man müsse ganz schnell zu den Stränden kommen:



    Michael

  • Ich bin da mal mit einem Wohnmobil durchgefahren. Das Ding war 2,68 hoch. Das hat Nerven gekostet....

    Früher bin ich in Frankreich grundsätzlich über Nationalstrassen gefahren. Jahrzehntelang nie Autobahnen genutzt, es sei denn dienstlich nach Paris wenn ich zuviel Zeug dabeihatte um es im Zug mitnehmen zu können.

    Seit die Franzosen aber den Kreisverkehr als Wunderwaffe und Allheilmittel des Strassenbaus für sich entdeckt haben und auf der Strecke von Lauterbourg bis Perpignan inzwischen über 200 von den Dingern zu überwinden sind nehme ich seit ein paar Jahren die A75. Die Absenkung des Tempolimits auf 80 war da auch noch ein Faktor.

  • Mit dem Kreisverkehr sind die Franzosen nicht allein, auch hier hat man das entdeckt. Wobei es in Frankreich immer mehr von den Dingern gab.

    ein richtiger Mercedes hat den Stern auf der Haube :P

  • Was habt ihr gegen den Kreisverkehr? Ich finds toll, wenn er an Ortseinfahrten (mit einem Auffanghügel ;) ) oder an kritischen Stellen plaziert wird und die Geschwindigkeit reduziert.

    Grüße aus der Baustellenhaupt- und Fächerstadt

    ... xundbleiwe und Kotzbeutel tragen


    Peter