Teil 1
Moinsen
Zwar geht es im Forum meistens um Technik - aber letztlich ist so eine C-Klasse ja dazu da, mit ihr herumzufahren. Und da hatte ich in den letzten Jahren mehrere Male ein Erlebnis, das selbst mir als passioniertem Bahn- und Radfahrer Lust aufs Autofahren gemacht hat :).
Grund genug, das hier auszubreiten.
Gerade hat mir nämlich wieder jemand aus dem Freundeskreis erzählt, wie er in 14 Stunden am Stück vom Rheinland nach Südfrankreich durchgefahren ist. Ich erinnere mich auch noch aus eigener (Kindheits-)Erfahrung an neun- oder zehnstündige Autobahntage auf Südkurs. Spaß machten die jedenfalls nicht. Wenn mein Vater an diesen Urlaubstagen am Steuer saß, konnte er den Punkt "Lebensqualität" abhaken: gleich Null.
"Muß irgendwie auch anders gehen", habe ich mir schon vor ein paar Jahren gedacht - und das Resultat war also bei bislang drei Unternehmungen jedesmal höchst genußträchtig. Vom speziellen Charme Frankreichs ganz abgesehen, kann man diese Form des "cruisens" sicher auf einige andere Länder und Regionen übertragen.
Statt Streß und Nackenverspannung auf der Autobahn also: Landstraße. Eine Fülle von Eindrücken, ganz verschiedene Landschaften, entspanntes Herumkurven, Pausen (wie hier an einer kleinen Brücke südöstlich von Paris), Picknicks, Spaziergänge, kleine Ausflüge. Und unerwartete Eindrücke wie der Anblick des imposanten Château de Murol in der Auvergne.
Und auch eine der außergewöhnlichsten europäischen Autobahnbrücken, den Viaduc de Millau, sieht man so richtig nur als Landstraßenfahrer, aus der Entfernung.
Wohin?
Nach "Südfrankreich", das hieß in meinem Fall unter anderem: zur als Gästehaus betriebenen Abtei La Gardiole in Conqueyrac,
einem winzigen Nest etwa 40 km nördlich von Montpellier - wo ich französische Freunde auf einem Musik-Workshop treffen wollte. In einem anderen Fall war dessen Schauplatz eine Art aufgebohrte Jugendherberge im Mittelgebirge nahe der Dordogne, in Meilhac, eine Stunde von Brive-la-Gaillarde.
Frankreichs Straßen: mautfrei heißt nicht "zweitklassig"
Bekanntlich gibt es in Frankreich neben den überwiegend mautpflichtigen Autobahnen auch ein gut ausgebautes mautfreies Fernstraßennetz. Die ursprünglich zu Napoleons Zeiten konzipierten Routes Nationales (rote Schilder "N" mit jeweiliger Nummer) ähneln nach meinem Eindruck prinzipiell unseren Bundesstraßen, oft sind sie allerdings auch opulenter. Zumindest sind zusätzliche Überholspuren weitaus häufiger zu finden als bei uns.
Ähnlich habe ich es mit den Straßen eine Kategorie drunter erlebt, den Routes Départmentales (gelbe Schilder "D" mit jew. Nummer) - die sind wie die N's im Gegensatz zu unseren Landstraßen mitunter sogar vierspurig und auch sonst oft kaum von einer N zu unterscheiden. Andere D's wiederum sehen aus wie diese Ortsdurchfahrt:
Hinzu kommen natürlich kleine Straßen und -sträßchen - auch die können bei so einem Reisevorhaben eine Rolle spielen.
Unter dem Strich habe ich den Eindruck, daß man auf einer Reise abseits der Autobahnen in Frankreich spürbar schneller vorankommt als in Deutschland - es ist natürlich auch deutlich dünner besiedelt: weniger Ortsdurchfahrten, weniger Ampeln, weniger Verkehr im Ganzen, freiere Bahn.
Grob gesehen, nahm sich die kürzestmögliche Gesamtstrecke nach Conqueyrac dann beispielsweise so aus:
Alternativ kann man natürlich von vornherein größere Schlenker einplanen, wie hier über die Regionen der Flüsse Vienne und Loire:
Gute Vorbereitung lohnt sich
Als Kind des Analogzeitalters nehme ich neben dem vorhandenen Navigationsgerät - "le GPS", wie die Franzosen dazu sagen - zwingend auch einen brauchbaren Atlas mit. In diesem Falle den französischen Brot-und-Butter-Klassiker, den Michelin Atlas Routier et Touristique, 1:200.000, knapp zwei Finger dick, praktischerweise spiralgebunden und auch ansonsten rundherum brauchbar.
Man kann sich damit auch zwischen den ganz kleinen Nestern sehr gut zurechtfinden. (Die Kompaßfunktion des GPS ist natürlich eine praktische Ergänzung; denn manchmal muß man wirklich ein wenig auf Richtung fahren, und wenn da gerade mal nicht die Sonne scheint ...) So etwas wie die lauschige Bourgogne rund um Chalon-sur-Saône sieht dann z.B. so aus:
Apropos - die meisten französischen Städte sind natürlich enspannter als Paris. In Chalon zum Beispiel kann man auch mal gepflegt pausieren und ein bißchen herumstreifen, um überall typische französische Altbauten zu beäugen:
Erst recht als "le GPS" irgendwann mal in der Franche-Comté bei Tempo 90 auf einer vierspurigen Brücke sagte: "Biegen Sie jetzt links ab!", wußte ich, daß es eine gute Entscheidung war, den Atlas an Bord zu haben. Etliche Male war er das Mittel der Wahl, sich zurechtzufinden; und darüber hinaus konnte man gut mit ihm die Tagesrouten planen oder kleine Abstecher einschieben, aber dazu gleich mehr.
Am schlauesten ist es natürlich, das zu tun, was ich bislang nur teilweise geschafft habe: Gezielt nach sehenswerten und besonderen Orten oder Gegenden Ausschau halten und die Route von vornherein entsprechend planen. Nachteil ist, daß man dort womöglich auf Touristenmassen gefaßt sein muß: In Vezelay, Cluny und La-Charité-sur-Loire ging es noch, aber von der Loire selbst und ihren total überlaufenen Schlössern habe ich mich sogar noch an einem Wochentag schnell zurückgezogen und bin statt dessen den sehr schönen Nebenfluß Chèr entlanggefahren.