C-Klasse ErFahrungsbericht (Baureihe W202)

Dafür bot der „Neue“ im Innenraum deutlich mehr Platz und auch die Ausstattung war üppiger: Fahrer-Airbag, integraler Seitenaufprallschutz, ABS, Servolenkung und Zentralverriegelung gab es in Serie. Später außerdem aufpreispflichtige Extras wie Heckscheibenrollo, automatisch abkippbare Kopfstützen, elektr. Schiebedach, Tempomat, Klimaautomatik und Anderes …


Zu Beginn hatte man die Wahl zwischen vier verschiedenen Otto-Motoren, nämlich dem 180`er, 200, 220 und dem 280; Zusätzlich drei Diesel Motoren: 200, 220 und den 250`er. Wir berichten im weiteren Verlauf über den 280`er als „Sport“-Edition, Automatik, Bj. 94.

Die Armaturen sind Mercedestypisch, vorbildlich einfach und übersichtlich angeordnet, in der rechten Armlehne befindet sich Stauraum, ein winziges Handschuhfach vorm Beifahrer und hinten zwischen den umklappbaren Sitzen der Skisack und dahinter der große Kofferraum. Die Schalldämmung ist je nach Ausstattungslinie, Bereifung und Motor unterschiedlich, doch … et cetera p.p. …

So könnte man nun lange Zeit fortfahren; aber das ist es nicht; es ist nicht die gute Verarbeitung im Innenraum, das hochwertige Lederlenkrad die Mercedes „Sportsitze“ und ganz sicher nicht die, fast schon peinlich anmutenden, Karbonimitat-Applikationen innen und außen. Das Alles ist nicht der Anlass für mein breites Grinsen hinterm Steuer oder die großzügig an das Armaturenbrett verteilte Streicheleinheiten, das Verlangen nachts im Winter mit einer warmen Decke hinauszueilen oder prinzipiell nur vor Polizeiwachen zu parken, sodass mein „Stern“ immer sicher ist.


Der Grund für dieses anormale Verhalten ist eher unter der Haube zu finden…der M104 Reihen 6 Zylinder! Tut der M104, mit seiner legendären Langlebigkeit und 2799ccm Hubraum, bei ruhiger Fahrweise unauffällig, zuverlässig seinen Dienst, beginnt er ganz im Gegensatz dazu bei Volllast sein 1-5-3-6-2-4-Lied im Bariton zu schmettern, wobei die Wirkung auf mich nur mit dem Konsum von Ecstasy und einem sehr lauten Rave zu vergleichen ist. Mit euphorisch aufgerissenen Augen und einem manischen Grinsen im Gesicht ist die Welt plötzlich ein positiver, heller Ort, Quell der Freude und geistigen Erquickung.


Gerade im Zusammenspiel mit der intelligenten, ausgezeichneten 4-Gang Automatik sind die bei 3750U/min anliegenden 270Nm Drehmoment auch für den hartnäckig-nervigsten Beifahrer Grund genug den Kopf zuzumachen, sich festzuklammern und vergessen geglaubte religiöse Gefühle zu reanimieren. Außerdem ist die Automatik, welche nicht nur das Getriebe an sich länger leben läßt, sondern auch die vorderen Hardyscheiben, eine Extra-Sicherung für den Katalysator, da nach Kaltstart erst später geschaltet wird; somit wird der Kat auf Betriebstemperatur gebracht, verhindert das unverbrannter Kraftstoff erst im Katalysator zur Zündung kommt und den Kat beschädigt. Aus diesen Gründen und dem viel präziseren und schnelleren Schaltvorgang ist die Automatik jederzeit der manuellen Schaltung vorzuziehen, denn die einzigen negativen Aspekte der Automatik sind der geringfügig höhere Verbrauch und die ebenfalls geringfügig geminderte Höchstgeschwindigkeit.


Der Verbrauch an Kraftstoff verhält sich, dank intelligenter Schaltung, proportional zur Schwere des rechten Fußes und ob empfohlene Kraftstoffe mit ROZ 95 oder 98 Verwendung finden: selbst in der Stadt sind Werte zwischen 9 und 10 spaßfreien-Litern nicht utopisch. Spaßig wird es eher so ab 12 Litern plus.


Die Sport Edition kommt mit Aluminium-Felgen, einem Sport-Fahrwerk das straff und 2,9 cm tiefer liegt als „normal“, aber auch entsprechend unkomfortabel federt. Die schon erwähnten „Sportsitze“ geben zwar ausreichend Seitenhalt, doch sportlich ist anders.

Und genau das ist der Knackpunkt: welche Maßstäbe wollen wir bei einer dreizehn Jahre alten Mittelklasselimousine anlegen? Klar, der Motor ist in keiner Weise aufgeladen, außerdem schwer und ungünstig installiert, für HiFi-Sound muss man erst selbst sorgen, das Heck bricht heftig und ohne viel Vorankündigung aus, die Lenkung ist wenig mitteilsam, das Design langweilig, aber: wen interessierts!?


Für wenige Tausend Euro bekomme ich heute ein C mit einer Viertelmillion Kilometer runter, der (fast) fährt wie am Tag der Auslieferung, kaum (wirklich fast nichts) Rost hat, die Elektrik fast (wirklich beinahe) perfekt funktioniert und ansonsten mit deutscher Zuverlässigkeit beeindruckt.


Das ist es was mich fasziniert und begeistert: das Gefühl mechanisch eine Menge selbst reparieren zu können, das Gefühl nicht den Mikrocontrollern und Embedded Systems völlig ausgeliefert zu sein, das die Leistung aus männlichen 2,8 Litern Hubraum nicht von Turbo oder Kompressor gedopt werden, und keine widerwärtige Plastikabdeckung mir den Blick auf den Alu-Zylinderkopf verwehrt.

Und genau das ist auch der Grund weshalb ich die Abwrackprämie ablehne: jahrzehntelang haben unsere Hersteller in einer automobilen Traumwelt gelebt in der nur immer mehr Motorleistung und eine gesteigerte Produktion zählten. Jetzt zahlen wir für diese Illusion.


Wären Sie wenigstens schlau genug gewesen qualitativ so weit runter zu gehen dass ein Auto wie das MB C-Modell W202 heute Schrott wäre … aber so ist es nicht! Eben viel zu gut für die Schrottpresse!