Gebrauchtwagenreport Maybach oder "Was wird aus dem Personal Liaison Manager?"

    • Offizieller Beitrag

    Ein nett geschriebener Artikel von der AutoMotorundSport-Homepage zum Gebraucht-Maybach und dem Schicksal des "Personal Liaison Manager"


    [quote]
    Maybach Gebrauchtwagen für 199.950 Euro


    Wir wollten nur nach Deutschlands günstigstem gebrauchten Maybach suchen - einem Auto, das es gar nicht geben dürfte und das uns nun mit Fragen des menschlichen Schicksals konfrontiert.

    Was passiert denn nun mit ihm, dem freundlichen und zuvorkommenden Herrn, der keinen Namen, sondern nur einen Titel trägt? Personal Liaison Manager lautet der. Doch das klingt erstens wie die Bezeichnung für den Chef eines zwielichtigen Begleitservice. Und weil zweitens keiner recht weiß, wie man das französische Wort Liaison in seiner Umklammerung von zwei englischen Wörtern aussprechen soll, ohne sich lächerlich zu machen, kürzt man den freundlichen, zuvorkommenden Herrn als PLM ab. So ein PLM gehört zu jedem Maybach. Für den Maybach-Besitzer organisiert er auf Wunsch Konzertkarten, empfiehlt Restaurants oder erinnert an Werkstatttermine. Man muss ihn sich als das Gegenteil eines Mitarbeiters einer Kundenhotline für Computer und Unterhaltungselektronik vorstellen: Problemlos ohne Warteschleifengedudel erreichbar, freundlich, kompetent - einer, der Hilfreicheres weiß als nur, dass man Dinge einschicken kann.


    Über das Schicksal des PLM stolpern wir auf der Suche nach einem gebrauchten Maybach. Eigentlich sollte es das nie geben. Daimler hatte überlegt, mit einem Rückkaufrecht dafür zu sorgen, dass kein Maybach in den Secondhand-Handel gelangt und dort Gefahr läuft, nach einer Zwischenstation beim Kiesplatzhändler im Besitz von Herren mit Vorliebe für mauvefarbene Seidenblousons, schweren Goldschmuck und Kampfhunde zu verludern. Das hatten die Schwaben in weiser Voraussicht schon beim Mercedes 600 so gehandhabt. Wobei man sich fragen darf, ob ein Kiez-King im 600 einst nicht etwa ein ehrenvollerer Repräsentant für die Marke Mercedes-Benz gewesen wäre als die Staatschefs von Kambodscha, Uganda und Kuba. Die 2002 wiederbelebte Marke Maybach setzt die Idee des Rückkaufrechts schließlich nicht um. So tauchen derzeit gut 75 Exemplare in den einschlägigen deutschen Internet-Autobörsen auf. Überwiegend sind es die 5,728-Meter-Varianten Maybach 57. Vom langen Typ 62, der sich auf 6,165 Meter erstreckt, wird nur ein halbes Dutzend offeriert.


    62er doppelt so teuer wie 57er

    Ein 62er kostet gebraucht rund doppelt so viel wie ein 57er. Weil wir Deutschlands günstigsten Maybach suchen und selbst im Westflügel der Dreizimmer-Mietwohnung nicht noch Platz für einen Chauffeur haben, begnügen wir uns diesmal eben mit dem Selbstfahrermodell 57. Schon für den lesen sich die Fahrzeugbeschreibungen wie kleine Romane. Sie thematisieren "TV-DVD-Entertainment-System mit Dolby-Surround-Sound", dramatisieren "Scheibengardinen elektrisch", pointieren "Leder exklusiv Galapagosgrau" und heroisieren den "Satz Champagnerkelche aus Silber mit Einlage".


    Ein Anbieter schreibt gleich alle Werkscodes für die Sonderausstattungen auf - eine wenig lückenhafte Zahlenreihe von 219 bis 889. Doch nicht einmal nach profanen Ausstattungsmerkmalen wie "Kofferraummatte" findet sich ein Hinweis wie "Personal Liaison Manager für diesen Maybach ist Clauspeter Müller, 43, ein beflissener Herr, dem ich zu größtem Dank verpflichtet bin, schon weil er nie versäumte, mich jedes Jahr an meinen Hochzeitstag zu erinnern." Die Preise für gebrauchte 57 starten bei rund 120.000 Euro für vier Jahre junge Modelle mit rund 50.000 Kilometer Laufleistung und liegen damit um mehr als zwei Drittel oder ein Einfamilienhaus mit Garten unter dem Neupreis - die rangieren aktuell zwischen 390.201 Euro für den 57 und 523.838 Euro für den 62 S.


    Maybach für 155.000 Euro


    Die Summen für Gebrauchte klingen also nach erstaunlich wenig, bis man den Verkäufer am Telefon hat, der erklärt, der Wagen stehe noch in Amerika, der Übersee-Heimtransport sei im Preis enthalten, Zoll und deutsche Mehrwertsteuer nicht. Macht zusammen 29 Prozent Aufschlag oder eben einen tatsächlichen Preis von 155.000 Euro - für ein Auto, das man nur auf Fotos sieht, nicht Probe fahren kann und erst ein paar Wochen nach dem Bezahlen geliefert bekommt. Immerhin: Ein Händler wirbt damit, die Kosten für den Flug zur Probefahrt nach Los Angeles zu übernehmen, wenn es danach zum Vertragsabschluss kommt - für einen Maybach 62 allerdings, der sich in der Region um 350.000 Euro herumdrückt.


    Maybach selbst gibt sich generöser: Komme eines ihrer Autos aus einem anderen Land zurück nach Hause, würden die hiesigen Fahrzeuggarantien gewährt. Das deutsche Service-Paket hilft 30 Jahre lang bei technischen Pannen und Startproblemen sowie vier Jahre bei "kleinen Missgeschicken". Ein großer Teil der angeboteten Gebraucht-Maybach ist ja aber gar nicht in Deutschland, ein weiterer Teil wohl nirgends. Bei einigen Händlern gelingt es entweder nicht, sie zu erreichen, weil die Mobilfunknummern nicht mehr verfügbar sind, oder es braucht ein halbes Dutzend Versuche, bis sich jemand meldet und verdutzt auf die Frage nach dem Maybach reagiert: Maybach, welcher Mayb ... - ach, ähm, genau, der Maybach, klar der! Ja Mensch, so was aber auch, der sei gerade gestern leider, leider verkauft worden, aber ob man sich nicht auch für einen Mercedes S 320 CDI interessieren wolle, sei ja fast dasselbe. So einen hätte man gerade in Vollausstattung direkt auf dem Hof stehen - also so gut wie.


    Gebrauchte Maybach in Dubai günstiger


    Es gibt sie tatsächlich, gebrauchte Maybach in Deutschland. Ein Händler in Singen offeriert 16 Stück, ab 249.500 Euro. In Leonberg stehen zehn der Limousinen zwischen einem Rudel Bugatti Veyron herum, aber zu Preisen ab 255.850 Euro und damit ebenso zu teuer wie der 57 S bei der Mercedes-Benz-Niederlassung München für 324.000 Euro. Ein anderer Händler hat einen gepanzerten 62 für 950.000 Euro im Sortiment. Doch gleich in Dubai, weiß das World Wide Web sofort, steht so einer für nur 800.000. Aber wir suchen den günstigsten, tatsächlich verfügbaren in Deutschland und finden ihn bei Koch Klassik in Heilbronn. Horst Koch erwarb sich großes Renommee als Händler für klassische Mercedes-Benz-Modelle. Der Maybach 57 passt da nicht ganz ins Repertoire.


    Er verkaufe ihn im Auftrag eines guten und langjährigen Kunden, erklärt Koch am Telefon und verspricht, eilig einen Besichtigungstermin zu arrangieren. Da ist es Freitagnachmittag. Am Montag steht Horst Thome fröhlich und selbstverständlich neben seinem Maybach 57. Den hat der schwäbische Fabrikant selbst gebraucht gekauft: "Stand 2004 zusammen mit einem 62 in gleicher Farbkombination - Caspian Red und Ayers Rock Red - als Ausstellungsauto auf dem Genfer Salon. Ein Freund von mir hat sich den langen geholt, ich mir den kurzen."


    Neuwertige Innenausstattung

    Nach viereinhalb Jahren und knapp 90.000 Kilometern sei es Zeit für einen neuen Maybach. Laut Preisliste kostete Thomes 57 im Jahr 2004 über 360.000 Euro. Heute bleibt er mit seiner Preisvorstellung für das Auto taktische 50 Euro unter der 200.000-Euro-Marke. Ob er dafür gleichzeitig auch seinen PLM veräußert, weiß Horst Thome nicht. Allzu persönlich scheint die Liaison zwischen ihm und seinem PLM ohnehin nicht geworden zu sein: "Er hat mir jedes Jahr zu Weihnachten eine Karte geschickt, aber mehr hatten wir nicht miteinander zu tun." Sein Name? "Oha, da fragen Sie mich jetzt was." Wäre etwas mit dem Wagen gewesen in der Zeit, hätte Thome, dessen Firma Teile für die Maybach-Produktion zuliefert, ohnehin noch ein paar mehr Ansprechpartner als nur den PLM gehabt.


    Die halbe Führungsetage hätte er anrufen können, wenn etwas gewesen wäre. Aber es war ja nie etwas mit dem Auto. Dabei nutzt es Thome täglich als Geschäftswagen: "Morgen früh um fünf geht’s los, da fahren wir zu viert zu McLaren nach Woking in England. Wir sind da öfter, weil wir die Airbrake für den Mercedes SLR McLaren produzieren. Bis wir wieder zurück sind, in drei Tagen, hat der Maybach sicher noch mal 3.000 Kilometer runter." Doch die anstrengenden Jahre gingen fast spurlos am 57 vorbei. Tiefgründig glänzt die etwas undezente Zweifarblackierung in der frühen Abendsonne. Auch das Interieur zeigt sich makellos. Nur ein paar Fingertapser auf den hochglanzpolierten Aluminiumschaltern lassen erahnen, dass hier schon einmal jemand saß.


    Weil Thomes 57 seine Karriere als Ausstellungsstück begann, möblierte Maybach ihn mit allen erdenklichen Extras - vom DVD-System mit ausklappenden Bildschirmen an den Vordersitzlehnen über den im Kofferraumdeckel untergebrachten, extragroßen Picknickschirm bis hin zu zwei Champagnerkelchen - in 925er Sterlingsilber. Allein die kosten im neuen Maybach 1.451 Euro Aufpreis. Wenn die schweren Türen von der Zuziehhilfe schmatzend ins Schloss gesogen wurden, leben die Fond-Passagiere auf den beiden höchst bequemen, elektrisch verstell-, beheiz- und belüftbaren Einzelsitzen wie von der Außenwelt abgeschottet. Das Tempo, mit dem sich der Maybach fortbewegt, ist nicht hör-, sondern nur sichtbar: Die Welt wischt lautlos an den Seitenscheiben vorbei. Auf Knopfdruck ziehen sich Gardinen vor die Fenster, dann gibt lediglich der hinten am Dachhimmel angebrachte Zusatztacho einen Hinweis darauf, wie ernsthaft der doppelt turbogeladene Zwölfzylindermotor ein paar Meter weiter vorn seine 550 PS gerade einsetzt.


    2,7 Tonnen mit Vorwärtsdrang


    Sie können den 2,7-Tonner in 5,2 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen, und es fühlt sich doch so an, als würde ein sanfter Wind den Wagen zärtlich voranpusten. Vor allem diese 900 Newtonmeter Drehmoment - damit würden zehn Fiat Panda 1.1 auskommen. Der Maybach aber hat diese Kraft für sich alleine, sein 5,5-Liter-V12 stellt sie schon bei 2.300 Touren bereit. So besteht die Hauptaufgabe der Fünfgang-Automatik darin, so schnell wie möglich in die höchste Stufe zu schlupfen und das Triebwerk bei niedrigen Drehzahlen zu halten.
    Dazu passt der erlesene Federungskomfort des schweren Wagens, "der fährt sich sogar ziemlich sportlich," meint Horst Thome, der den Wagen selbst sorgsam pflegt. Nach 90.000 Kilometern sieht der 57 unberührter aus als viele Neuwagen nach 90. Die prunkvollen Materialien und ihre penible Verarbeitungsqualität sorgen dafür, dass man sich eher um die Dauerhaltbarkeit ägyptischer Pyramiden sorgt als um die des Maybach.


    Eine Flasche Veuve Clicquot gratis


    Warum verkauft Thome ein Auto, das man über Generationen hinweg weitervererben könnte und dessen einziger Mangel darin besteht, dass sich der DVD-Spieler einmal an einer CD verschluckt hat? "Es hat sich viel getan in den letzten Jahren beim Maybach. Die aktuellen Modelle sind im Detail noch besser", erklärt Thome. Einen neuen 57 hätte er also gern, "keinen 62, der ist zu sperrig". Und wie sieht es jetzt beim Preis aus? "Da ist wohl schon noch was drin", hält sich Thome bedeckt. Wir wollen hier - es handelt sich immerhin um einen Gebrauchtwagen, und da zählt so etwas - die noch gut profilierten Winterreifen auf Alurädern nicht vergessen, die im Preis enthalten sind. TÜV/AU sind aber schon Zweinullneun fällig. Na gut, meint Thome, die Flasche Veuve Clicquot, die in der bordeigenen Minibar vor sich hin kühlt, gebe es noch dazu. Die Frage ist nur, wer sich überhaupt einen viereinhalb Jahre alten Maybach kaufen soll. Wie viele Menschen gibt es, die sich einen Gebrauchten für 200.000 Euro leisten wollen? Was soll denn da nur die Society denken? Es könnte ja fast ein bisschen ärmlich wirken in den Kreisen, die ein Maybach bewegt - nicht dass sich jemand fragt, ob das Chanel-Kostüm der Gattin auch aus dem Secondhand- Shop stammt.


    PLM auch bei gebrauchtem Maybach


    Bei der Ergründung des Schicksals des PLM hilft schließlich die beflissene Maybach-Pressestelle. Sie erbittet eine Stunde Zeit, um die Umstände zu klären und meldet sich nach 40 Minuten wieder. Das PLM-Prozedere, das nun auf dreizehn Zeilen erklärt wird, ist in seiner Komplexität einer Firma angemessen, in der viele Menschen mit Doktor- oder Ingenieurswürde wirken: Jeder Personal Liaison Manager betreut eine Region in Deutschland. Verkauft nun ein Maybach-Besitzer seinen Wagen in eine andere Region, verabschiedet der eine PLM den Maybach in einem formalen Akt - dem Großen Zapfenstreich sicher nicht ganz unähnlich - und übergibt ihn in die Obhut des anderen.


    Bleibt der verkaufte Wagen in derselben Region, kümmert sich der bisherige PLM weiter um ihn und seinen neuen Besitzer. Auch wenn ein Maybach aus dem Ausland heimkehrt, bekommt er einen deutschen PLM. Und wenn sich Horst Thome einen neuen Maybach bestellt, kann er weiter auf die Dienste seines PLM vertrauen. Vielleicht wird das bei den beiden dann doch noch eine engere Liaison.

    Gruß vom Niederrhein, Björn
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  • Naja, die Finanzkrise wird schon einen Markt schaffen...
    Ich habe meine Bestellung auch storniert. Wollte eh nur den SLR, das geht eben als Maybach-Kunde schneller. xD


    Der Bericht ist wirklich super.
    Viele Grüße
    Stefan